Journalistin und Autorin

Random header image... Refresh for more!

Zum Tag des heiligen Philip Neri – ein Artikel von mir aus PUR zum Jahr der Orden 2015

Er war Goethes Lieblingsheiliger und als Spaßvogel Gottes bekannt – Philipp Neri, geboren am 21. Juli 1515 in Florenz als Sohn eines Notars. Die Kirche feiert in diesem Jahr seinen 500. Geburtstag. Zahllose Anekdoten ranken sich um den humorvollen, äußerst beliebten „Heiligen der Freude“ und „Apostel Roms“, wie er noch genannt wird. Dorthin hatte es ihn im Alter von 18 Jahren zum Studium der Theologie und Philosophie gezogen. Vier Jahre später nimmt er sein apostolisches Wirken auf, er besucht Kranke und wird Mitglied der Bruderschaft „Gefährten der göttlichen Liebe“. Beim innigen Gebet in den Katakomben von San Sebastiano macht er eine umwälzende mystische Erfahrung: Der Geist Gottes senkt sich wie ein Feuerball herab und dringt in sein Herz ein, weitet seine Brust, lässt ihn fortan für den Heiligen Geist glühen. Tatsächlich fand man bei der Obduktion nach seinem Tod ein ungewöhnlich vergrößertes Herz in einem erweiterten Brustraum vor. Seine karitativen Tätigkeiten kommen vor allem Kranken und Rompilgern zu Gute, die zu dieser Zeit oftmals mittellos, krank und siech in den Hospitälern lagen. Eigentlich zieht es Philipp, wie so viele missionarisch begabte Männer dieser Zeit, nach Indien. Doch sein Beichtvater erklärt ihm frank und frei: „Dein Indien ist Rom“ und legt ihm nahe, sich zum Priester weihen zu lassen.
Bald fanden sich interessierte Laien, Beichtkinder und Messbesucher zu regelmäßigen Gebetstreffen auf seinem Zimmer zusammen – das erste Oratorium entsteht.
„Orare“ ist das lateinische Wort für beten, der Ort an dem gebetet wird, ist also das Oratorium. Doch nicht nur das gemeinschaftliche Beten, auch die gemeinsame Lektüre von geistlichen Schriften und den Austausch darüber steht im Mittelpunkt, denn das Buch, so Neri, sei der Weg des Heiligen Geistes. Neben den Heiligenviten, der Franziskus-Legende, die Gesänge des Jacopone da Todi wurden auch Katharina von Siena und Johannes Cassian gelesen und gemeinsam besprochen. Weiterhin gab es Vorträge zur Kirchengeschichte, natürlich Predigten und musikalische Beiträge von höchster Güte, die sich zu einer eigenen musikalischen Gattungsform herausbildeten, dem „Oratorio“. Schließlich fördert die Gemeinschaft auch das vierzigstündige Gebet sowie Tageswallfahrten zu den sieben Hauptkirchen Roms. Offizielle kirchliche Anerkennung erhält das Oratorium am 15. Juli 1575 durch Papst Gregor XIII., der durch eine Bulle die Kongregation des Oratoriums an der Kirche Santa Maria in Valicella errichtet.
Obwohl Neri gar nicht die Absicht hatte, eine Art Ordensgemeinschaft zu gründen oder gar Regeln zu verfassen, breiteten sich Idee und Lebensform des Oratoriums geführt vom Heiligen Geist immer weiter aus. Als Neri an Fronleichnam des Jahres 1595 stirbt, leben Laienbrüder, Kleriker und Priester in bereits weiteren sechs italienischen Städten nach dem Vorbild der römischen Gemeinschaft, das heißt, sie richten sich nach den evangelischen Räten, allerdings ohne Gelübde und weniger als ein Orden mit festen Regeln, sondern als eine Kongregation. Dabei ist jedes Haus eigenständig, der Obere, oder besser Hausvater, wird auf drei Jahre gewählt und „Präpositus“ genannt, diesem stehen vier Deputierte bei der Leitung der Gemeinschaft zur Seite.
Einzig gestützt auf die karge schriftliche Hinterlassenschaft des heiligen Philipp Neri – ein paar Briefe, wenige kurze Gebet und Notate zu geistlichen Maximen, leben die Oratorianer, zumeist Weltpriester, im Streben nach der Vervollkommung, wie es der Heilige lehrte: „Wichtig ist, dass wir heilig werden.“ Um dieses Ziel zu erreichen stützt man sich fest auf das Fundament des so genannten oratorianischen „Vierecks“, dessen Eckpfeiler die Demut, die Liebe, das Gebet und die Freude sind, welche die Mitte, die Vollkommenheit umschließen.
Der Heilige empfahl seinen Mitbrüdern Selbstkontrolle, Wohltätigkeit, vernünftige Askese und insbesondere beständigen Frohsinn. So schrieb er einmal an seine Nichte, eine Dominikanerin: „Freut Euch am gemeinsamen Leben, flieht jede Eigenartigkeit, erstrebt die Reinheit des Herzens, denn der Heilige Geist wohnt in denen, die rein und einfach sind, und er ist der Meister des Gebetes; er lässt uns in beständigem Frieden und beständiger Heiterkeit sein, die ein Vorgeschmack des Paradieses sind.“

Der wohl bekannteste Oratorianer ist sicherlich Kardinal John Henry Newman, der 1845 konvertierte und kurz danach das erste Oratorium in England, zunächst in Birmingham, später auch in London einführte. Newman wurde 2010 von Papst Benedikt XVI. selig gesprochen.
Das erste Oratorium in Deutschland begründete, vergleichsweise früh, Johannes Georg Seidenbusch im Jahre 1692 in Aufhausen bei Regensburg, dort etablierte sich gleichzeitig eine hoch frequentierte Wallfahrt.

Das Oratorium wird heute als Gesellschaft apostolischen Lebens päpstlichen Rechts behandelt und konnte die Anzahl seiner Häuser seit 1934 bis heute fast verdoppeln. 2011 waren das 84 Häuser mit über 420 Priestern, fast 150 Diakonen, sowie Priesteramtskandidaten und Laienbrüdern. Oratorianer finden sich mittlerweile auf fast allen Kontinenten. Sie alle bemühen sich, dem heiligen Philipp Neri nachzufolgen, dessen vielleicht wichtigste spirtuelle Maxime lautet: „Der wahre Weg in den heiligen Tugenden Fortschritte zu machen, ist die Ausdauer im heiligen Frohsinn.“

0 comments

There are no comments yet...

Kick things off by filling out the form below.

Leave a Comment