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Der Dichter und Philosoph Vladimir Jakubow an Tatjana Goritschewa
„Haben die Menschen im Westen nicht das Gefühl für die Tragik des Seins, für die Realität des Bösen verloren? Sie stießen mit dem allerrealsten Bösen zusammen: mit dem Totalitarismus, dem Terrorismus, und wissen nicht, wie man moralisch anständig auf das Böse antworten kann. [Die Möglichkeit eines pseudomoralischen Empörungsgehabes wie zettbe ein Shitstorm kannte man Mitte der Achtziger noch nicht und wurde deshalb von Jakubow, der in Riga eine Lagerhaft verbüßte, auch gar nicht erst in Erwägung gezogen. Selbst wenn, hätte er wohl nicht ernsthaft als Möglichkeit betrachtet. – Anm. BW]Sie denken, sie könnten sich von ihm lösen, indem sie Kompromisse schließen, ‚gute Werke‘ vollbringen usw. Es ist uns nicht gegeben, zu wissen, wohin das führt. Natürlich kenne ich den Westen fast nicht, und so Gott will, habe ich unrecht. Aber mir scheint, daß es dort die Versuchung eines allzu wohlbehaltenen ‚rosaroten‘ Christentums gibt. Wenn man das Böse auch anerkennt, so nur als ein naturgegebenes oder ein soziales Böses, d. h. als Böses ohne individuelle oder charakteristische Eigenschaften und nicht als Böses, das sich in konkreten Personen angesiedelt hat. Und doch hat Christus Dämonen aus Menschen ausgetrieben. Aufgrund unserer russischen Erfahrung wissen wir, wie undurchdringbar das Böse zu sein pflegt, mit welchem Panzer es den Menschen umgibt – und keinen Zugang zur Seele läßt. Sonst könnte es weder Henker geben noch Opfer, weder Märtyrer noch ihre Peiniger … Es ist unvermeidlich, daß Verführungen kommen. Aber wehe dem, der sie verschuldet. (Lk 17,1). Und Jesus fährt fort, indem er über den Mühlstein spricht. Im Evangelium gibt es schreckliche Worte, die keinen Platz lassen für einen rosaroten Optimismus. Es seltsam, daß der Westen seine eigene Erfahrung des Bösen hat. Haben sie die Worte des Evangeliums vergessen?“
August 23, 2023 No Comments