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Posts from — Dezember 2018

Zum Tag der heiligen Odile – der „Mutter des Elsass“

Es gibt zahlreiche spektakuläre Aussichtspunkte in den elsässischen Nordvogesen, doch der berühmteste unter ihnen ist zugleich ein heiliger Berg und eine Pilgerstätte: Der Odilienberg, 764 Metern über dem Meeresspiegel, bietet atemberaubende Ausblicke über die Landschaft der Rheinebene nach Osten zwischen Kehl und Lahr bis in die Hänge des Schwarzwalds, wie nach Westen über die Kämme der Vogesen bis weit ins Land hinein. Schon in frühester Vorzeit diente das Buntsandsteinmassiv mit seinem Hochplateau als Zufluchtsort. Eine 10 Kilometer lange Wallmauer umgibt seine Hänge, die so genannte Heidenmauer, von der man annahm, dass sie prähistorischen Ursprungs sei. Neueste Untersuchungen gehen jedoch davon aus, dass sie aus dem 7. und 8. Jahrhundert stammen könne. Die Römer unterhielten dort eine Höhenfestung, die sie Altitona nannten. Heute befinden sich auf seinem Gipfel nicht nur der uralte Merowingerfriedhof, sondern auch eine großzügige und modernisierte Anlage, die auf den Resten des ehemaligen Klosters der heiligen Odilie, der Schutzpatronin des Elsass, errichtet wurde. Hier werden noch immer ihre Reliquien verehrt. Dieser Ort hat viele Pilger magnetisch angezogen, unter ihnen auch Johann Wolfgang von Goethe, der darüber in „Dichtung und Wahrheit“ schreibt: „Einer mit hundert, ja tausend Gläubigen auf den Ottilienberg begangenen Wallfahrt denke ich noch immer gern. Hier, wo das Grundgemäuer eines römischen Kastells noch übrig, sollte sich in Ruinen und Steinritzen eine schöne Grafentochter aus frommer Neigung aufgehalten haben. Unfern der Kapelle, wo sich die Wanderer erbauen, zeigt man ihren Brunnen und erzählt gar manches Anmutige. Das Bild, das ich mir von ihr machte und ihr Name prägte sich tief ein.“

Odilia oder Ottilie kam um das Jahr 660 als erstes Kind des fränkischen Herzogs Adalric (auch Attich, Etich) zur Welt. Adalric gehört zu den Stammvätern der Capetinger, sein Name taucht ebenso in den Ahnentafeln vieler bedeutender Herrscherhäuser wie der Salier, Staufer, Zähringer und Habsburger auf. Man geht davon aus, dass Odilia in dem Schloss ihres Vaters zur Welt kam, das dieser auf den römischen Ruinen von Altitona errichtet hatte. In einer Mischung aus Wut, Scham und Schuldgefühl befahl Adalric, dass sein erstgeborenes Kind, enttäuschenderweise eine Tochter und noch dazu blind geboren, in der Wildnis ausgesetzt werden solle. Der Herzog handelte gemäß einem heidnischen Brauch, da er insgeheim befürchtete, dass das behinderte Kind die göttliche Strafe für eine von ihm begangene schändliche Tat sei. Doch Persinda, seine Gemahlin, versuchte verzweifelt, das sichere Todesurteil für ihr Kind abzuwenden. Sie sandte deshalb einen Boten an ihre ehemalige Amme, die in einiger Entfernung lebte und die sich freudig dazu bereit erklärte, die Pflege und Erziehung des Mädchens zu übernehmen. Odilie wuchs, unter der Obhut ihrer Amme, in einem „Palma“ genannten Kloster auf, welches heute als Baume-les-Dames in der Nähe von Besançon identifiziert wird.
Das Christentum steht in dieser Zeit in Mitteleuropa in voller Blüte, auch wenn Adalrics Anwandlungen noch tief im heidnischen Gedankengut zu wurzeln scheinen. Denn die irischen Wandermönche und Missionare, die auf dem Weg nach Süden, nach Rom und Jerusalem durch das europäische Festland zogen, konnten das einfache Volk mit ihrem missionarischen Eifer, ihren glühenden Predigten und ihrer überzeugenden Lebensweise für das Evangelium entfachen. Vom heiligen Columban – nicht zu verwechseln mit dem Heiligen gleichen Namens, der in Schottland missionierte, ist bekannt, dass um das Jahr 592, also knapp 60 Jahre vor der Geburt Odilias, durch die Vogesen zog und unter anderem das bedeutsame Benediktinerkloster in Luxueil gründete. Die Leuchtspur des heiligen Columbans von Luxueil und seiner Gefährten zog sich durch ganz Süddeutschland, die Donauregion und den Bodensee, bis hinunter nach Norditalien. Selbst bis zu den slawischen Siedlungen im Osten drangen sie vor und prägten mit ihrer glühenden Hingabe das ganze siebte Jahrhundert in Mitteleuropa. Die Evangelisierung war mobil, meist zu Fuß durchzogen heilige Männer die Landen.
Und so tat es auch ein Bischof aus den bayrischen Landen, Erhard von Regensburg. Dieser Bischof Erhard empfing eines Tages eine göttliche Weisung: Er solle nach Palma gehen und dort ein blindes Mädchen auf den Namen Odilia taufen. Sie soll im Alter von 12 Jahren gewesen sein, als der Regensburger Bischof sie im wörtlichen Sinne aus der Taufe hob, denn zu dieser Zeit bestand der Ritus noch darin, dass man die Täuflinge in das Wasser eines geweihten Brunnens eintauchte. Schließlich salbte der Bischof die blinden Augen seines Taufkindes mit Chrisam. Und da geschah das Wunder: Odilia öffneten sich die Augen – sie erblickte zum ersten Mal seit ihrer Geburt das Licht. Nein, nicht das Licht der Welt, wie man Geburt noch gerne umschreibt: Es handelte sich insbesondere um eine geistliche Neu-Geburt in Christo. Durch das göttliche Wunder der Heilung ihrer Sinne, der jahrelang verschlossen gewesenen Augen, ereignete sich auch eine grundlegende Lebenswende für Odilia. Sie lernte Lesen und Schreiben und man ließ ihr die allerbeste Ausbildung angedeihen, denn sie war, wenn auch verstoßen, die Tochter eines Herzogs. Die Jahre zogen ins Land und es geschah, dass einer ihrer Brüder von ihrem Schicksal erfuhr und den Vater mit der Schwester wieder versöhnen wollte. Doch Adalric wollte, verstockt wie er war, nichts davon wissen und drohte seinem Sohn sogar. So ließ jener ohne Wissen des Vaters nach der Schwester schicken, um sie nach Hause auf die Hohenburg zu holen, wo er nicht nur sein Schloss erbaut, sondern mittlerweile auch ein Kloster gegründet hatte. Adalric muss ein sehr jähzorniger Mensch sein, denn als er Odilia und ihr Gefolge anreisen sah, verlor er dermaßen die Beherrschung gegenüber seinem Sohn, der sich nur das Beste für ihn und Odilia gewünscht hatte, dass er mit einem Stock auf ihn losging und in maßloser Wut erschlug. Es war die letzte Grausamkeit, die er in seinem Leben begehen sollte, den Rest seiner Tage verbrachte er voller Trauer und Reue in dem von ihm gegründeten Kloster, nicht ohne sich vorher mit Odilia herzlich versöhnt zu haben. Sie, die bis kurz vor seinem Tod als einfache Magd in seinem Kloster gelebt hatte, wurde von ihm in einem Moment der Barmherzigkeit, als er ihr zufällig begegnete, wie sie Mehl austrug, um für die Armen Brot zu backen, mit allen Würden und Rechten als Vorsteherin des Klosters eingesetzt. Nun hatte sie die verantwortungsvolle Aufgabe, für 130 Schwestern zu sorgen. Doch sie ließ auch Neubauten errichten: Eine Kirche, die dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht werden sollte, der ihr Schutzpatron war, seit sie während ihrer Taufe das Augenlicht wiedererlangt hatte, und ein Tochterkloster am Fuße des Berges, in dem besonders Alte und Kranke betreut werden sollten, die den steilen Aufstieg zum Mutterkloster nicht bewältigen konnten. Alle diese großartigen Unternehmungen erlebte Adalric nicht mehr – er starb kurze Zeit, nachdem er sie als Äbtissin eingesetzt hatte.
Als treue Tochter ehrte sie ihren Vater, der doch einst ihren Tod erwünscht hatte und fastete und betete nach seinem Hinscheiden tage- und nächtelang hartnäckig für seine Erlösung und um göttliche Barmherzigkeit. Ihre Trauer war unermesslich, denn sie musste davon ausgehen, dass Adalrics Seele aufgrund seiner schlimmen Taten am Orte der Verdammnis weilte. Aufgrund ihres großes Glaubens und ihrer Hingabe wurde Odilia erhört. Eines Nachts öffnete sich der Himmel und ein strahlender Glanz brach über sie herein. Die Vita berichtet, dass sie folgende Worte vernahm: „Odilia, die du Gott teuer bist, bezähme doch deine quälende Schwermut! Denn du hast von Gott für die Sünden deines Vaters Vergebung erlangt. Siehe auch, aus der Unterwelt befreit, wird er von Engeln geleitet, um sich dem Chor der Patriarchen zu gesellen!“ Sie aber pries Gottes Güte und sagte Dank dafür, dass er sich ihrer unwürdigen Gebete angenommen habe.
Heute markiert die so genannte Tränenkapelle den Ort, an dem das inständige und anhaltende Gebet der Heiligen stattgefunden hat: den ehemaligen Klosterfriedhof mit dem Grab ihres Vaters.

Zu den Umständen ihres eigenen Todes an einem 13. Dezember, das genaue Jahr ist unbekannt, soll jedoch nach 723 liegen, wird berichtet, dass Odilia, entgegen sämtlicher Gepflogenheiten der Zeit ihre Mitschwestern von ihrem Sterbelager wegschickte, damit sie die Psalmen sängen. Der Jammer der Frauen war groß, als sie bei ihrer Rückkehr die geliebte Äbtissin tot vorfanden, insbesondere auch deshalb, weil sie ohne den Empfang des Viatikums, der letzten heiligen Kommunion hinübergegangen sei. So sehr flehten, weinten und beteten sie, dass Odilias Lebensodem zurückkehrte. Sie setzte sich auf und beklagte sich bei den trauernden Frauen, denn sie habe im Jenseits die heilige Jungfrau Lucia getroffen und eine solche Freude genossen, die kein lebender Mensch ermessen könne. Doch die frommen Schwestern ließen sich durch solche Vorwürfe nicht beirren: Man könne ihnen schließlich Unachtsamkeit und Pflichtvergessenheit vorwerfen, wenn sie Odilia ohne einen letzten Empfang des Leib des Herrn sterben ließen! Daraufhin ließ die Äbtissin sich die heilige Kommunion bringen, empfing sie und hauchte ihre Seele im Kreise der Schwestern aus. Um ihre Grablege soll sich noch tagelang ein himmlischer Wohlgeruch ausgebreitet haben.

Das Kloster auf dem Sandsteinmassiv trotzte sämtlichen Zeitläuften. Nach einer Hochblüte unter Äbtissin Herrad von Landsberg, die im 12. Jahrhundert den „Hortus Delicarum“ das gesamte Wissen ihrer Zeit zusammenfasste, wurde es während des Dreißigjährigen Krieges mehrmals geplündert. Danach übernahmen Prämonstratensermönche die Fürsorge für Odilias Grab und die zahlreichen Pilger, die vor allem um Heilung von Augenkrankheiten baten. Was der Bauernkrieg nicht geschafft hatte, gelang den Jakobinern der Französischen Revolution – die völlige Vertreibung der Ordensleute und die Vernichtung einer bislang beliebten Wallfahrt. Doch nicht für lange. Keine 60 Jahre später wurde das profanisierte Kloster zurückgekauft und dem Bischof von Straßburg unterstellt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts pulsiert das geistliche Leben auf dem Berg wieder, ist das Kloster nicht nur ein touristisches Ausflugsziel, sondern auch einer der beliebtesten Wallfahrtsorte in Frankreich, der im Jahr 1988 als prominentesten Pilger der Neuzeit Papst Johannes-Paul II. empfangen durfte.

Über dem Eingangstor des ehemaligen Klosters ist die in Stein gemeißelte Inschrift zu lesen: „Hier blühte einst die heilige Äbtissin Odilia, hier waltet sie immerfort als Mutter des Elsass“.
Im Herzen des ehemaligen Klosters, das von drei Ordensschwestern vom Heiligen Kreuz und einem Kaplan betreut wird, glüht die Liebesflamme der Ewigen Anbetung: Seit 1931 kommen Gruppen von Gläubigen aus allen Pfarreien und Dekanaten, um vor dem Allerheiligsten tagsüber und in der Nacht zu beten – eine Woche lang, bis sie von der nächsten Gruppe abgelöst werden. Draußen blickt die überlebensgroße Statue der heiligen Odilia mit dem Äbtissinnenstab auf einem Balustradenturm weit in die oberrheinische Tiefebene und hält ihre segnende Hand über die Landschaft und ihre Bewohner. Es ist ein gewaltiges Zeichen, sichtbar für alle, für den gläubigen wie den nichtglaubenden Besucher dieser besonderen heiligen Stätte.

[Zuerst erschienen im Vatican-Magazin Januar 2014]

Dezember 12, 2018   No Comments

Seraphim Rose: Nihilismus. Die Ideologie des Antichristen.

Der Glaube an das Nichts als Quell des Untergangs.

Zitat:

„Der Nihilismus unseres Zeitalters ist in allem und wer nicht mit Gottes Beistand beschließt, ihn im Namen der Seinsfülle des lebendigen Gottes zu bekämpfen, den hat dieser bereits bezwungen. Wir sind an den Rand des Abgrunds zum Nichts gebracht, und wir werden, ob wir sein Wesen erkennen oder nicht, infolge der Affinität zum stets vorhandenen Nichts in uns ohne jede Hoffnung auf Erlösung von ihm verschlungen werden – es sei denn, wir bleiben reinen und festen Glaubens in Christus, ohne den wir wahrlich nichts sind.“

Dezember 5, 2018   No Comments