Ein Kommentar zu Matthäus 15, 21-28
In jener Zeit zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück.
Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.
Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her.
Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.
Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!
Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.
Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.
Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt. Matthäus 15, 21-28
Wilhelm von Saint-Thierry (um 1085 – 1148), Benediktiner, dann Zisterzienser
Meditative Gebete, 2
>>„Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids“
Manchmal, Herr, fühle ich, dass du vorübergehst; Du bleibst nicht für mich stehen, du gehst vorbei, doch ich schreie zu dir wie die Kananäerin. Werde ich es denn noch wagen, mich dir zu nähern? Ganz sicher, denn die kleinen Hunde, die man aus dem Haus ihres Herrn gejagt hat, werden nicht müde zurückzukommen, und weil sie das Haus bewachen, bekommen sie täglich ihr Brot. Auch ich bin noch verjagt; vor die Tür gesetzt, schreie ich; beschimpft, bitte ich. So wie die kleinen Hunde nicht fern von den Menschen leben können, so auch meine Seele nicht fern von meinem Gott!
Öffne mir, Herr, damit ich zu dir kommen kann, um in dein Licht eingehüllt zu werden. Du wohnst in den Himmeln, du hast dich im Finstern verborgen, in der dunklen Wolke. Wie der Prophet sagt: „Du hast dich in Wolken gehüllt, kein Gebet kann sie durchstoßen“ (Klgl 3,44). Ich bin gefangen auf der Erde, das Herz wie im Morast… Deine Sterne funkeln nicht mehr für mich, die Sonne hat sich verdunkelt, der Mond scheint nicht mehr. Ich höre sehr wohl, wie deine Wundertaten in den Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern besungen werden. Im Evangelium leuchten deine Worte und Gesten in hellem Licht. Das Vorbild deiner Diener…, das Drohen und die Verheißungen deiner Schriften voll Wahrheit drängen sich meinen Augen auf und wollen die Taubheit meiner Ohren durchdringen. Doch mein Geist ist verhärtet; ich habe gelernt, im Glanz der Sonne zu schlafen; ich habe mir angewöhnt, nicht mehr zu sehen, was sich mir dergestalt darbietet…
Bis wann, Herr, bis wann wirst du noch zögern, bis du deine Himmel aufreißt, herabsteigst, um meine Schläfrigkeit aufzubrechen? (vgl. Ps 12,1; Jes 64,1). Ich will nicht mehr das sein, was ich bin…., ich möchte umkehren und wenigstens am Abend zurückkommen wie ein kleiner Hund, der Hunger hat. Ich durchstreife deine Stadt; sie pilgert noch teilweise über die Erde, obwohl ein Großteil ihrer Bewohner ihre Freude in den Himmeln gefunden hat. Werde auch ich dort vielleicht meine Wohnung finden? <<
August 17, 2014 No Comments